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Grenzen der Grenzen der Fiskalpolitik

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Bei Sturm und Seegang besteht bei voller Takelage die Gefahr von Mast- und Schotbruch. Angesichts des starken Gegenwinds werden auch Regierungen ihre Schönwettersegel einstreichen müssen, um die gegenwärtige Polykrise in den Griff zu bekommen. Ein stetiger Kurs durch sich überlappende, miteinander verknüpfte und sich selbst verstärkende Krisen (die finanzielle, wirtschaftliche, ökologische, soziale, politische, technologische und geopolitische Dimensionen umfassen) bedarf eines politischen Eingeständnisses, dass die öffentlichen Finanzen durch die keynesianischen Politik während der raschen Abfolge globaler und regionaler Krisen bereits strukturell geschwächt wurden. Finanzminister sehen sich daher mit dem Dilemma konfrontiert, den Haushalt konsolidieren und zusätzliche Ausgaben tätigen zu müssen, um den existenziellen Risiken des Klimawandels, der geopolitischen Unsicherheiten, des Investitionsstau und/oder der Eventualverbindlichkeiten (wie beispielsweise umlagefinanzierte Renten) begegnen zu können.

Unabhängig davon, ob Regierungen eine expansive Fiskalpolitik “zu lange” tolerieren oder sich „mechanisch“ auf ein starres finanzpolitisches Regelkorsett verlassen, spiegeln politische Polarisierung und systemische Glaubwürdigkeitskrisen die Schwierigkeit wider, Wachstum, Wohlstand und Sicherheit zu gewährleisten. Die aktuellen Turbulenzen und Unsicherheiten machen deutlich, dass erfolgreiche Wirtschafts- und Finanzpolitik eher eine Kunst als eine Wissenschaft ist. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse des Wachstumsberichts (2008): „Gute Politik wird oft zu schlechter Politik, wenn sie zu lange betrieben wird.“

Fiskalpolitik im Spannungsfeld zwischen knappen Finanzen und hohen Anforderungen

Das Hauptproblem bei der Extrapolation der aktuellen Wirtschaftspolitik ist die inhärente Anfälligkeit, entweder schuldeninduzierte Wirtschaftskrisen zu provozieren oder die negativen Auswirkungen einer anhaltenden Unterinvestition in Humankapital, öffentliche Infrastruktur und Verwaltung billigend in Kauf zu nehmen. In beiden Szenarien wären die Volkswirtschaften nicht in der Lage, die Herausforderungen der sich abzeichnenden Klimakatastrophe oder der wachsenden Sicherheitsrisiken zu bewältigen, sei es aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen oder mangels moderner Infrastruktur. Dies könnte die Gefahren einer weiteren Polarisierung noch weiter verschärfen.

Je höher der Schuldendienst, desto geringer die Investitionen

Das Ende des Experiments der quantitativen Lockerung und die seit Anfang/Mitte 2022 steigenden Zinsen haben eine neue (Zwischen-)Phase der Haushaltskonsolidierung eingeläutet. In der Folge werden die Finanzminister die Haushaltslinien für Zinszahlungen deutlich erhöhen müssen. Die daraus resultierenden fiskalischen Verpflichtungen werden vor allem die Haushalte der hoch verschuldeten Länder belasten. So prognostiziert das US-amerikanische Congressional Budget Office (2024) für das Jahr 2024 eine gesamtstaatliche Nettoverschuldung von 98 Prozent des Bruttoninlandproduktes (BIP) und einen Anstieg der Zinszahlungen von 2,4 Prozent des BIP (oder 659 Milliarden US-Dollar) im vorherigen Jahr auf 3,1 Prozent des BIP (oder 870 Milliarden US-Dollar). Dieser Betrag entspricht rund 17,7 (13,4) Prozent der prognostizierten Staatseinnahmen (Gesamtausgaben) und liegt um 0,2 Prozentpunkte des BIP über dem Verteidigungshaushalt.

Selbst unter optimistischen Annahmen geben die Haushaltsprojektionen Anlass zu ernsten Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit, ausreichenden Spielraum für diskretionäre Ausgaben zu schaffen. Bislang stützten sich die Wirtschaftsaussichten weitgehend auf die starke Produktivitäts- und Wachstumsleistung der USA, die unter den G7-Volkswirtschaften die höchste Dynamik aufweist. Dies deutet darauf hin, dass die US-Regierungen Kredite für die „richtigen“ Investitionen aufgenommen haben, also für jene, die eine hohe interne Rendite versprechen und Investitionen, Innovation und Wissensaufbau fördern. Ein zentraler Bestandteil der derzeitigen Wirtschaftspolitik in Nachpandemiezeiten sind beträchtliche, kreditfinanzierte Programme zur Unterstützung der heimischen Forschung und Produktion. Angesichts der gestiegenen Risiken einer makro-fiskalischen und gesellschaftspolitischen Krise haben die Vereinigten Staaten keine wirkliche Alternative, als ihre Wirtschaftspolitik auf ein „endogenes Wachstum“ zu stützen, das durch Produktivitätssteigerungen und Innovationen getragen wird – ungeachtet eines erheblichen Bedarfs an Haushaltskonsolidierung. Eine derartige Strategie, letztlich eine Wette ohne Absicherung, zielt darauf ab, aus der sich rasch erhöhenden Schuldenquote „herauszuwachsen“, die Steuerbasis somit zu verbreitern und den Anteil der Schuldendienstzahlungen am Gesamthaushalt zu verringern.

Je geringer die Investitionen, desto niedriger das Wachstumspotenzial

Nicht alle Länder haben das gleiche Grundvertrauen in ihr Innovationspotenzial. Den drei anderen hoch verschuldeten G7-Volkswirtschaften (Frankreich, Italien und Japan) ist es weniger gut gelungen, hohe Defizite und Schulden in Motoren für Innovation und dynamisches Wachstum umzuwandeln. Selbst Länder mit relativ stabilen Staatsfinanzen stellen fest, dass die Säulen ihres künftigen Wohlstands, ihrer Nachhaltigkeit und Stabilität brüchig geworden sind. Ein Beispiel dafür ist Deutschland: Geschwächt durch interne Meinungsverschiedenheiten über die Rolle des Staates sucht die regierende Drei-Parteien-Koalition nach einem Ausweg aus dem selbstverschuldeten Haushaltsdilemma.

Die politische Zwickmühle besteht darin, die Schuldenbremse, die verfassungsrechtliche Obergrenze für das strukturelle Haushaltsdefizit (0,35 Prozent des BIP), mit dem Finanzbedarf mehrerer Ressorts über den Finanzrahmen 2025 hinaus in Einklang zu bringen. Unaufgelöste Widersprüche in Bezug auf übergeordnete politische Ziele haben dazu geführt, dass Sozialdemokraten, Grüne und Liberale sich gegenseitig blockieren, wenn es um mögliche Anpassungen der Sozialausgaben, Investitionen in den ökologischen Umbau und wichtige makroökonomische Instrumente wie Steuern und Haushaltsdefizite geht. Erschwerend kommt hinzu, dass ein Konsens in einer Wirtschaft gefunden werden muss, die von schleppendem Wachstum und schwindender Unterstützung geprägt ist. Über dem gesamten Haushaltsprozess schwebt daher das Gespenst vorgezogener Neuwahlen.

In diesem Szenario plädiert der Internationale Währungsfonds (2024) für den vollen Einsatz aller verfügbaren Politinstrumente und betont, dass ein nachhaltiger Haushaltsrahmen sowohl Ausgabenkürzungen als auch zusätzliche Haushaltseinnahmen und Maßnahmen zur Erschließung neuer Finanzierungsquellen umfassen müsse. Er warnt davor, dass der mittelfristige Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter um etwa 0,7 Prozentpunkte – und damit stärker als in allen anderen G7-Ländern — das Wirtschaftswachstum verlangsamen und die öffentlichen Finanzen belasten könnte. Anders als der deutsche Finanzminister empfiehlt der IWF, zusätzliche Ausgabenwünsche durch eine moderate Lockerung der Schuldenbremse zu ermöglichen:

„Eine gut konzipierte Haushaltsregel trägt dazu bei, dass der Schuldenstand auf einem tragfähigen Niveau bleibt. Deutschlands Schuldenbremse ist jedoch relativ eng gefasst, so dass die jährliche Obergrenze für die Nettokreditaufnahme um etwa 1 Prozentpunkt des BIP gelockert werden könnte, während die Schuldenquote weiterhin auf einem Abwärtspfad bleibt. Eine solche Lockerung würde mehr Spielraum für dringend benötigte öffentliche Investitionen und andere wichtige Prioritäten schaffen.“

Bereits im vergangenen Jahr hatte der IWF (2023) die Regierung angemahnt, dass ihre Fiskalregeln zu streng und unflexibel seien und zu einer Abhängigkeit von Haushaltspraktiken führten, die zu einem Verlust an finzieller Transparenz und Glaubwürdigkeit beitrügen. Dies bezog sich auf die Einrichtung mehrerer Nebenhaushalte („Sondervermögen“), die rund 9 Prozent des BIP ausmachen. Selbst bei relativ optimistischen Wachstumsprognosen und der Annahme eines weniger strikten finanzpolitischen Ansatzes stimmte der IWF mit etwa der Hälfte der deutschen Wirtschaftsprofessoren darin überein, dass die strukturellen Verschuldungsgrenzen ein Investitionshemmnis darstellten. Es gebe „keinen Spielraum für Produktivitätssteigerungen durch höhere öffentliche Investitionen.“

„Richtige“ Investitionen und Wirtschaftswachstum

Im Vergleich zu den USA hängt die sozioökonomische Zukunft Deutschlands – aus diametral entgegengesetzten Gründen – von einem übergreifenden politischen Narrativ und einem entsprechenden Programm prioritärer Reformen und Investitionen ab, die Anreize für Investitionen, Innovation und Wissen schaffen, einschließlich eines soliden Rechtsrahmens, der die privatwirtschaftliche Dimension der grünen Transition trägt. Ein solcher Ansatz könnte dazu beitragen, potenzielle Finanzierungsquellen zu identifizieren, wie etwa die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen (abzüglich der Kosten für soziale Kompensationen). Es gibt einen breiten Konsens in der Gesellschaft und den politischen Parteien über die grundsätzliche Notwendigkeit, (i) unnötige, wachstumshemmende Bürokratie abzubauen, (ii) die Steuerpolitik und -verwaltung zu modernisieren und zu straffen und (iii) der überfälligen Digitalisierungsagenda Priorität einzuräumen. Auf diese Weise könnte sich Deutschland im internationalen Standortwettbewerb erneuern und wieder erfolgreicher im globalen Wettbewerb um internationales Kapital, Wissen, Fähigkeiten und Technologie werden, die durch attraktive rechtliche Rahmenbedingungen, effektive öffentliche Dienstleistungen, moderne Infrastruktur und gut ausgebildete Arbeitskräfte angezogen werden können. Letztlich ist dies eine weitaus nachhaltigere Politik als die Bereitstellung individuell ausgehandelter Subventionen für einzelne Investoren. Die „richtigen“ Investitionen würden den Weg zu höherer wirtschaftlicher Aktivität und gesichertem sozialen Wohlstand in der Zukunft weisen.

Fiskalregeln stellen grundsätzlich ein geeignetes Instrument zur Sicherstellung der langfristigen Solidität öffentlicher Finanzen dar. Deutschland unterliegt jedoch zwei Regelwerken, von denen das ökonomisch bedeutsamere der EU-Rahmen für die Finanzpolitik zur Stützung der Gemeinschaftswährung ist. Die Diskrepanz zwischen den jeweiligen Referenzwerten und die Parallelität der finanzpolitischen Rahmenbedingungen untergraben die Funktion der Verschuldungsgrenzen (!) als Anker fiskalpolitischer Prudenz. Dafür gibt es keinen wirklichen Grund. Defizitgrenzen stellen keine „Ziele“ für die Politikgestaltung per se dar, sondern dienen vielmehr dazu, die Aufmerksamkeit der Tagespolitik auf die längerfristigen Implikationen der im Haushalt enthaltenen Entscheidungen zu lenken. Dies betrifft sowohl die zu erwartenden Auswirkungen auf das Wachstumspotenzial einer Volkswirtschaft als auch auf die Solidität der öffentlichen Finanzen (und damit auf den durch entsprechende Schuldendienstverpflichtungen eingeengten budgetären Handlungsspielraum). Letztlich beginnt ein erfolgreicher Haushaltsaufstellungsprozess mit der Festlegung der zu erreichenden politischen Ziele, bevor die potenziellen Mittel zur Finanzierung der politischen Prioritäten bewertet werden. Ein „buchhalterischer“ Prozess, der mit Steuerschätzungen beginnt und erst dann deren Verteilung berücksichtigt, wird nicht in der Lage sein, die zu Regierungsbeginn gemachten politischen Versprechen einzulösen. Ohne die gleichzeitige Berücksichtigung sowohl der inhärenten Wachstumsimpulse als auch der daraus resultierenden Schuldendynamik ist eine erfolgreiche Finanzpolitik nicht möglich. Weder eine stagnierende Wirtschaft, die zwar fiskalisch relativ solide ist, aber auf wachstumsfördernde Investitionen verzichtet, noch eine Wirtschaft, die einen politischen Konjunkturzyklus mit einem kurzlebigen Boom auslöst aber dann von steigenden Rezessionsrisiken überschattet wird, können langfristig Wohlstand sichern.

„Gute“ Regeln für effiziente Fiskalpolitik

Die Kombination aus enttäuschenden deutschen Wachstumszahlen, der Überschneidung mit den bestehenden EU-Fiskalregeln und der Notwendigkeit, auf eine Reihe außergewöhnlicher – und immer drängenderer – Herausforderungen zu reagieren (Klima, Sicherheit, Eventualverbindlichkeiten und der Rückstand bei den öffentlichen Investitionen), hat eine neue Debatte über die Notwendigkeit und die Ausgestaltung der Schuldenbremse, der nationalen Komponente der Defizitobergrenzen, ausgelöst. Der Riss geht quer durch die Regierung, bis hin zu ministeriellen Drohungen mit Koalitionsbruch. Das gegenseitige Veto zum Gebrauch der wichtigsten wirtschaftspolitischen Instrumente (Defizite, Steuern und Ausgaben) und die zu erwartenden Wahlniederlagen für alle drei Koalitionspartner bei den Europawahlen am 9. Juni 2024 haben das Zusammenspiel von Finanz- und Wirtschaftspolitik blockiert. Dies schadet den politisch-ökonomischen Aussichten, nicht zuletzt, weil die notwendigen nächsten Schritte relativ offensichtlich erscheinen: (i) die Reform der Schuldenbremse und ihre Harmonisierung mit den europäischen Fiskalregeln; (ii) die Priorisierung von Ausgaben und Subventionen im Einklang mit den übergeordneten Zielen; und (iii) die Stärkung der regulatorischen, institutionellen und infrastrukturellen Basis mit einer modernen Steuerpolitik, um so das von der Wirtschaft getragene grüne Wachstum zu unterstützen.

Was den ersten Punkt betrifft, so zeigt die Erfahrung, dass Fiskalregeln kein Allheilmittel sind. Ohne politisches Engagement sind sie anfällig dafür, umgangen zu werden. Um als politischer Anker wirksam zu sein, muss die Umsetzung von Defizitobergrenzen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik mit den allgemeinen Entwicklungszielen eines Landes übereinstimmen und gleichzeitig die langfristigen Aspekte der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen berücksichtigen. Es ist gängige Praxis, die Wirksamkeit eines solchen politischen Ankers anhand von fünf Glaubwürdigkeitskriterien zu bewerten. Eine „gute“ Fiskalregel muss

  • leicht zu verstehen (hier lassen die doppelten Zwänge der nationalen und europäischen Regeln viel Raum für Unklarheiten);
  • umsetzbar (wobei der Schwerpunkt auf „finanzpolitischen Maßnahmen“ zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung liegen sollte, über die die Regierungen direkte Kontrolle haben, und nicht auf „fiskalischen Ergebnissen“, die erst im Nachhinein festgestellt werden können);
  • überprüfbar (wobei alle Anstrengungen unternommen werden sollten, um die Abhängigkeit von schwer zu berechnenden Messgrößen des Produktionspotenzials und der strukturellen Haushaltssalden zu minimieren);
  • durchsetzbar (die Regeln sollten in supranationales und/oder nationales Recht eingebettet sein); und
  • anreizkompatibel sein (wobei die Dimensionen der Solvenz der öffentlichen Haushalte mit den sozioökonomischen Zielen in Einklang gebracht werden müssen).

Mit Ausnahme des vierten Punktes weicht der komplizierte deutsche Rahmen mit sich überschneidenden nationalen und europäischen Fiskalregeln von den Grundsätzen der bewährten Praktiken ab. Unter der Annahme, dass die erforderliche Zweidrittelmehrheit zustande kommt, sollte Artikel 115 des Grundgesetzes (Grenzen der Kreditaufnahme) mit dem Ziel reformiert werden, (i) die Verpflichtungen aus dem EU-Rahmen zu untermauern, (ii) Prozesse für wirtschaftliche Projektionen während des Haushaltsaufstellungsprozesses zu skizzieren, (iii) Notfallklauseln für „Krisenzeiten“ und fiskalische Maßnahmen zur Konsolidierung nach einer Krise zu definieren und (iv) die Berichtspflichten für öffentliche Investitionen, die aus aktuellen oder früheren Defiziten finanziert werden, zu stärken.

Nachhaltigkeit durch Transparenz und Glaubwürdigkeit

Ein einheitliches Regelwerk für die Fiskalpolitik würde die Transparenz und Glaubwürdigkeit erhöhen, nicht zuletzt weil externe EU-Institutionen die Umsetzung überwachen und darüber berichten würden. Durch die Verpflichtung des Finanzministeriums, Wachstumsprognosen von t – 1 (mit bekannten Größen) bis t + 1 mit einer vorgegebenen Rate von beispielsweise einem Prozent zu verwenden (was automatisch eine antizyklische Fiskalpolitik ermöglicht), würde die Notwendigkeit der Berechnung struktureller Salden und Produktionspotenziale entfallen. Um die Investitionsausgaben aus übergeordneten Gründen über eine bestimmte Defizitgrenze hinaus erhöhen zu können, sollten die Regierungen verpflichtet werden, die zusätzlichen Investitionsausgaben in einem speziellen Anhang zum Haushalt zu rechtfertigen und nachzuweisen, dass der jeweilige Nutzen die finanziellen Kosten übersteigt. Dies sollte sowohl als Projektion im aktuellen Haushalt als auch als realisierte Schätzung in zukünftigen Haushalten erfolgen. Regierungen sollten darüber hinaus bereit sein, die politische Dringlichkeit (durch Kofinanzierung eines Mindestanteils durch Ausgabenkürzungen) und eine breite öffentliche Unterstützung (durch Kofinanzierung eines weiteren Anteils durch Steuererhöhungen) nachzuweisen.

Die derzeitigen Schätzungen der künftigen Haushaltsausgaben für den Klimawandel (im Inland und für Zahlungen für „Verluste und Schäden“ in anderen Ländern), für Sicherheit und für Eventualverbindlichkeiten sind nicht trivial und vor allem langfristig. Dennoch wären die Kosten, die entstehen würden, wenn in den kommenden Jahren nicht auf die verschiedenen Aspekte der Polykrise reagiert würde, ungleich höher. Die Risikofaktoren, die sich aus den verschiedenen Klimaszenarien und der geopolitischen Neuausrichtung (einschließlich ihrer Auswirkungen auf die regelbasierte Weltwirtschaftsordnung und die allgemeine Sicherheitslage infolge der aktuellen Kriege) ergeben würden, sind existenziell. Über den Haushalt des nächsten Jahres hinaus ist es für die Finanzminister in Berlin, Washington und anderswo von größter Bedeutung, einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden, das sich aus der Notwendigkeit ergibt, die Haushalte zu konsolidieren, die Flexibilität der Verfahren zu erhöhen und Ergebnisse sicherzustellen, die es den Regierungen ermöglichen, die zunehmenden Glaubwürdigkeitskrisen und die damit verbundenen politischen Polarisierung einzudämmen. Es führt kein Weg daran vorbei, Ausgabenprioritäten auf der Grundlage eines übergreifenden Narrativs zu setzen, glaubwürdige mittelfristige Haushaltsrahmen zu entwickeln, die mit einem entsprechenden Programm wachstumsfördernder Investitionen und Reformen einhergehen, und ausreichende Haushaltsspielräume für künftige wirtschaftliche Schocks zu schaffen. In dem Maße, in dem die Wellenbrecher draußen an Größe und Stärke zunehmen, müssen Überlegungen über die wirtschaftliche Seetüchtigkeit bei weiteren aufziehenden Stürmen angestellt werden.

Jan-Peter Olters

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